Fußball 08.10.2002

Und plötzlich halten nicht mal die Züge...

Man stelle sich bitte folgendes vor und bewerte die Szene auf ihren Science-Fiction-Gehalt:
Ein Zug der deutschen Bahn, Abfahrt in Hannover (city of international fairs) bewegt sich Richtung Süden. Einen nicht allzu geringen Anteil der reisenden Passagiere bilden die Fangruppen des 1. FC Nürnberg und von Bayern München. In Nürnberg und in München soll nämlich an diesem schönen Herbsttage Fußball gespielt werden. Nun denn, beide Städte, Nürnberg, Perle Frankens, und München stehen auf der Liste der Orte, die der Zug ansteuern wird. In Erlangen hört man, während die Türen schließen, vom Bahnhofslautsprecher Folgendes: "Aufgrund des Fußballspiels in München rollt der IC Mathias Rust auf Gleis drei flott direktemente in die bayrische Landeshauptstadt." Gut. Ein Griff zum Atlas stellt schnell sicher: Ja, Erlangen liegt nördlich von Nürnberg, der Zug müsste also noch durch Nürnberg durch, dort aber ja nicht halten - und das mit den ganzen Clubberern im Bordrestaurant.

Das ist es, was ich mit Science-Fiction meine. Natürlich ist die Geschichte erstunken und erlogen, niemals würde man so mit den sympathischen Freunden aus Nürnberg umgehen. In Berlin allerdings ist dies anders.

Da wird man wach und denkt: "Fußball, puh, schon wieder Tennis gg. Hütte." Zu oft hat man schon Eisenhüttenstadt gesehen, meistens hat's geregnet, manchmal hieß es am Ende verdient 0:0, manchmal passierte sogar beides. Kurzum: groß war die Freude nicht, als ich zur S-Bahn Bellevue schlich. In der S-Bahn ein seltsamer Klops von Menschen, die meisten Kinder. Hertha spielte, so so. Ich saß dann da, probierte grimmig zu kucken und freute mich schon auf den Abgang: "Vollidioten!" wollte ich in Homer-Simpson-Manier dem Pöbel zurufen, während ich am Eichkamp die Türe öffne und damit zu verstehen gebe: "Ich komme von Tennis! Ihr seid Hertha, schaut Euch an, welch jämmerlich Bild."

Nun, ich stand an der Tür, sah den S-Bhf Eichkamp auf uns zu flattern, wollte schon meinen Mund zum V, wie Vollidioten formen, da geschah es, dass der S-Bhf Eichkamp, nachdem er sich unserem Zug blitzschnell genähert hatte, sich ebenso schnell auch wieder zu entfernen wusste. Der Zug hielt nicht, die edle Hertha-Besatzung sollte also direkt ins Olympiastadion transportiert werden, ohne sich allzu lange mit den Bahnhöfen Eichkamp und Heerstraße auseinandersetzen zu müssen. Verderbliche Ware, diese Herthaner.

Was tat ich: Ich strahlte Souveränität aus. Niemand im Zug sollte auf die Idee kommen, ich wollte hier aussteigen. "Nein nein, ich stehe nur so an der Tür. Und der Griff? Ja, den halte ich fest, damit ich nicht umfalle..."
In mir brodelte es recht brodelig, auch der S-Bahnhof Heerstraße wehte vorbei, bis ich dann endlich am S-Bahnhof Olympiastadion mit einer Horde Mensch aus dem Waggon gespieen wurde.

Wann es denn wieder Retour gehe, fragte ich den rasanten Fahrer der Bahn. "17:20 Uhr", hallte es zurück. Blick auf die Uhr: Das wäre in 2 Stunden, bis dahin ist Tennis vorbei. Menno.
Der S-Bahnhof Olympiastadion hat viele Gleise mit vielen Zügen. Ich schwebte treppauf, treppab und fragte mich so durch. Endlich fand ich einen Zug, der tatsächlich in der nächsten Viertelstunde den Bahnhof Eichkamp ansteuern wird und - Tusch - dort sogar folgendes vor hat: zu halten. Ich war Baff, dieser Zug war genau das, was ich brauchte! Und da kam er schon! Hineeeeiiiiiin!

Als ich im Mommse eintraf, war man im Fanblock schon reichlich angesäuert. Nicht wegen meines Zuspätkommens, sondern wegen dieses doofen Spiels. TeBe - Hütte halt, so heißen Fußballkracher nicht.

Es fielen jedoch 4 Tore - drei für uns und eins für die. Beim ersten war ich pinkeln, beim zweiten erzählte man mir Spannendes aus Aberdeen, beim Dritten war ich geistig nicht voll auf der Höhe, ja aber das Vierte, das hab ich sogar mit eigenen Augen gesehen.

Das lustigste des Nachmittages war eine Erzählung von Tom:
Jemand wollte von ihm mitgenommen werden zum Fußballspiel: Dieser jemand kannte Fußball bislang nur aus Mailand. Dort wurden brennende Fahnen aufs Spielfeld geworfen. Die ganze Zeit! Neben diesem jemand, so Tom, saß eine verkohlte Person, vermutlich von einer brennenden Fahne getroffen.

Ob das immer so lustig sei, beim Fußball... Tom nahm diesen jemand jedenfalls nicht mit zu Tennis gg. Hütte.


Peter Pauschal

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